Feministische Perspektiven auf die Kritische Psychologie

Themenblock: »Einführendes«

Referent_in: Fiona Kalkstein

Tag: Donnerstag, 18.9.2014, Beginn: 10:00 Uhr, Dauer: 2 Std.

Eine Einführung

Die Kritische Psychologie wurde in den 80ern als marxistische Subjektwissenschaft entwickelt. Dies geschah aus dem Bestreben heraus, eine emanzipatorische psychologische Theorie und Praxis zu entwickeln, die das Leid der Subjekte nicht als ein psychisches Defizit deutet, sondern aus gesellschaftlichen Verhältnissen heraus begreift, die die freie Entwicklung der Einzelnen unterdrücken. Mit einer teilweise orthodoxen Auslegung des Marxismus gibt es zwar ein deutliches Interesse an der Überwindung von Herrschaft, jedoch werden die unterdrückenden Verhältnisse in einem Wort zusammengefasst: Kapitalismus.

Trotz dieser Haupt-Nebenwiderspruchslogik, die von Feministinnen zurecht kritisiert wurde, ist die Vortragende der Ansicht, dass die Kritische Psychologie – wird sie ein wenig gegen sich selbst gelesen – durchaus fruchtbare theoretische und methodische Anknüpfungspunkte für (queer-)feministische Psychologien liefert. Dies äußert sich erstens in einem Forschungsansatz, der radikal partizipativ und subjektorientiert ist, Machtdiskrepanzen zwischen Forscher_in und Mitforscher_in präsent hat und überwinden möchte. Sie macht nicht das Subjekt, sondern die Welt, wie das Subjekt sie sieht, zum Forschungsgegenstand. Zweitens finden sich auf theoretischer Ebene Ableitungen über die menschliche Psyche, die sich ausnahmslos gegen jede Naturalisierung stellen. Es heißt, die einzige menschliche Natur sei eine gesellschaftliche Natur. Wird diese Überlegung in Bezug auf Geschlecht gedacht, entsteht ein Bindeglied zwischen marxistischer Subjekttheorie und dem queer-feministischen Anliegen der Dekonstruktion von Geschlecht als gesellschaftlich hergestelltes. Dies ist insofern interessant, als dass die Kritische Psychologie eine im historischen Materialismus begründete Herangehensweise wählt, d. h. sie orientiert sich dabei an historisch-evolutionären Entwicklungen und ‚objektiven Verhältnissen‘, während queer-feministische Ansätze eher poststrukturalistisch orientiert sind und die Vorstellung einer vordiskursiven Objektivität radikal ablehnen.


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