Themenstrang: »Wissenschaft«
Referent_in: Reiner Seidel
Tag/Zeit: Donnerstag, 18.9.2014, 13:30–15:30 Uhr
Historische und systematische Überlegungen
Der Vortrag skizziert die unterschiedliche Behandlung des Begriffs „Bewusstsein“ im Laufe der Entwicklung der Psychologie. Im religiösen Kontext, wie auch noch in der Philosophie der Aufklärung, galt Bewusstsein als ein Spezifikum des Menschen. Erst im Gefolge der Darwinschen Evolutionstheorie fasste man den Gedanken, dass auch Tiere „Intelligenz“ und eben auch Bewusstsein, haben können.
Ab 1900 bildete sich eine Spaltung der Psychologie heraus in eine sogenannt „naturwissenschaftliche“ und eine sogenannt „geisteswissenschaftliche“ Richtung. Dier Unterschied erscheint primär in der Methodik. Die eine Richtung verlässt sich auf Experiment und kontrollierte Beobachtung, die andere auf das Erfassen von Bedeutung (Sprache, Sybolik, Ausdruck usw.). Unabhängig davon gab es die aus der Romantik gekommene Strömung, die dem Bewusstsein insgesamt das „Unbewusste“ gegenüberstellte. Ab ca. 1910 breitete sich in der Psychologie eine Verabsolutierung des Positivismus aus, die die Beschäftigung mit dem Bewusstsein als „unwissenschaftlich“ verbieten wollte und über 50 Jahre als „Behaviorismus“ die Psychologie verseuchte. Vorwiegend durch die moderne Neurobiologie wird heute das Bewusstsein (wieder) ein Hauptthema der Psychologie. Die Spaltung der Psychologie hat heute folgende Gestalt angenommen. Die „naturwissenschaftliche“ Psychologie untersucht de facto psychische Vorgänge insoweit, als wir sie mit den anderen Tieren gemeinsam haben („animalisches Bewusstsein“). Die „geisteswissenschaftliche“ Psychologie beschäftigt sich dagegen de facto mit der Psyche in ihrer spezifisch menschlichen Erscheinung („reflexives Bewusstsein“).
These: Das Problem liegt darin, dass der Bewusstseinsbegriff undifferenziert gebraucht wird.