Individualisierung gesellschaftlicher Transformation als politische Sackgasse. Eine Praxisreflektion aus der politischen Bildung.

In selbstorganisierten Seminaren der politischen Bildung, aber auch in der Uni und dem Plenum der Politgruppe begegnen wir in den letzten Jahren zunehmend einer Einstellung, die die Veränderung von Gesellschaft über individualisierende Imperative organisieren will: Wir sollen FairTrade-Produkte kaufen, unsere Privilegien reflektieren und uns unserer Sprecher*innenposition bewusst werden. Die richtige Einstellung wird an dem reformierten Wortschatz abgelesen, mit dem das Bewusstsein über die eigene Verwicklung in Herrschaftsverhältnisse zum Ausdruck gebracht wird. Sich regendes Unbehagen gegen diese Appelle wird mit mangelnder „awareness“ abgetan und sogar aus selbstgeschaffenen Freiräumen ausgeschlossen. Das Selbst steht im Zentrum dieser Sichtweise – es wird auf Handlungsspielräume und Verantwortung im Individuum fokussiert. Wir glauben, dass diese Tendenz problematisch ist: Die Individualisierung von politischer Verantwortung entpuppt sich letztlich als Psychologisierung von Herrschaft, die sich in der Reflektion derselben erschöpft und emanzipatorisches Handeln in die private Interaktion von Individuen verschiebt. Dieser Sichtweise liegt somit nicht nur ein vereinfachtes Verständnis von Herrschaftsverhältnissen zu Grunde, sie lähmt in ihrer politischen Praxis auch zunehmend Gruppen und Akteure und wirkt letztlich als Hindernis politischer Organisierung.

Als Teamer in der politischen Jugendbildung wollen wir im Rahmen einer Praxisreflektion unsere systematisierten Beobachtungen zusammen mit Erklärungsversuchen vorstellen und so in den Diskurs eingreifen, der sich in unseren Augen als Sackgasse entpuppt.

Vorkenntnisse: nicht erforderlich.

Art des Beitrags: Vorstellen verschiedener Thesen, danach Besprechung/Diskussion mit den Teilnehmenden.