Themenstrang: »Forschungsarbeiten«
Referent_in: Tilman Runge
Tag/Zeit: Freitag, 19.9.2014, 13:30–15:30 Uhr
Der Vortrag „Heteronormativität und Psychologie“ setzt sich mit dem Thema der wissenschaftlichen Neutralität und Objektivität in der Psychologie auseinander. Dabei soll beispielhaft anhand der Heteronormativitätstheorie (Annahme dass nicht nur die Mehrheit der Menschheit heterosexuell ist, sondern dass Heterosexualität vor allem auch eine soziale Norm darstellt) gezeigt werden, wie Kultur und soziale Normen wissenschaftliches Arbeiten formen und bedingen. Die Arbeitshypothese besagt hier, dass sich in einer heteronormativen Gesellschaft Heteronormativität in der Wissenschaft widerspiegelt. Dort äußert sie sich durch Prämissen, Vermutungen, Forschungsfragen und Wertungen. So gesehen haben Forschungsfragen wie „Worin ist Homosexualität neurobiologisch begründet?“ oder „Warum haben Frauen eine schlechtere räumliche Orientierung als Männer?“ auch eine kulturelle Komponente. Sie reflektieren und ermöglichen die wissenschaftliche Bestätigung bestimmter in unserer Kultur verbreiteter Vorurteile: Dass Homosexualität eine Abweichung darstellt und dass Frauen für praktische Dinge von Natur aus ungeeignet sind.
Unterliegen Teile der Psychologie einem gesamtgesellschaftlichen Confirmation-Bias, dem Versuch die eigenen kulturell bedingten Werte und Normen durch die Wissenschaft bestätigt zu sehen? Schützt die experimentell-empirische Forschungsmethodik die Psychologie nicht vor solchen Fehlern?
In zwei experimentellen Studien möchte ich Hinweise für ein Überschwappen von kulturellen Werten und Annahmen in das wissenschaftliche Arbeiten der Psychologie vorstellen. In diesen Studien konnte unter anderem gezeigt werden, dass vermeintlich neutrale und objektive wissenschaftliche Theorien zum menschlichen Sexualverhalten Einstellungen zu nicht-normativem Sexualverhalten negativ verstärken können. Ebenso wurden Hinweise für den umgekehrten Weg gefunden, nämlich dass negative Einstellung gegenüber Normdevianz eine Hinwendung zum wissenschaftlichen Arbeiten mit konservativen Theorien bedingen kann.
Zielgruppe: Studierende, Studierte, Lehrkräfte
Vorkenntnisse: Grundkenntnisse der wissenschaftlichen Arbeitsweise der Psychologie